Eine der wohl meistzitierten Börsenweisheiten lautet folgendermaßen: „Sell in May and go away“ (den zweiten Teil unterschlagen wir wissentlich). In Anbetracht der derzeitigen Lage an den Märkten gewinnt diese Börsenweisheit, zumindest oberflächlich betrachtet, an Attraktivität. Doch ist sie tatsächlich zutreffend? Und wann ist überhaupt der richtige Zeitpunkt gekommen, um eine Aktie zu verkaufen? Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die Gründe, die für den Verkauf einer Aktie sprechen. Davon gibt es viele, wie im übrigen auch für den Kauf von Aktien. Falls Sie sich für diese interessieren, werden Sie hier im Blog fündig.
Grund 1: das eigene Portfolio anpassen
Einer der häufigsten Gründe, eine Aktie zu verkaufen, ist eine Anpassung des eigenen Portfolios. In der Regel wird eine Anpassung notwendig, wenn das Portfolio nicht mehr ausgewogen ist oder nicht mehr zum eigenen Anlageprofil passt. Eine solche Änderung kann beispielsweise durch größere Lebensereignisse ausgelöst werden, wie eine Heirat (oder Scheidung), Nachwuchs oder den Ruhestand. Aber auch durch eine Über-Allokation in einem bestimmten Sektor kann es sinnvoll sein, das Portfolio anzupassen und entsprechend Aktien zu verkaufen, um die Portfoliorisiken wieder zu reduzieren. Mehr zur richtigen Risikoadjustierung in einem Portfolio lesen Sie hier im Blog.
Grund 2: Liquidität frei machen
Selbstverständlich kann es sinnvoll sein, Aktien zu verkaufen, wenn die entsprechende Liquidität benötigt wird. Etwa für einen Immobilien-Kauf, eine Firmengründung oder andere unerwartete Kosten, die bei Beginn der Geldanlage noch nicht absehbar waren. Hier sei allerdings der Hinweis erlaubt, dass es immer ratsam ist, nur Geld zu investieren, das man entbehren kann. Wer seinem Portfolio nach einem kurzen Anlagezeitraum Liquidität entzieht, muss eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür in Kauf nehmen, mit seiner Anlage einen Verlust zu erzielen. Deswegen raten wir bei Solidvest immer zu möglichst langen Anlagehorizonten.
Grund 3: Eine Aktie erreicht das gesetzte Kursziel
Mit Kurszielen zu arbeiten kann ein sinnvolles Hilfsmittel für Anleger sein, um über den richtigen Verkaufszeitpunkt zu entscheiden. Sie fungieren gewissermaßen als Kontrollinstanz für die eigenen Emotionen – oder niedere Instinkte wie Gier. Wichtig bei Kurszielen: Diese brauchen nicht in Stein gemeißelt zu sein. Insbesondere die bekannten Wachstumswerte haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Kursziele auch ein Hindernis für sinnvolle Anlageentscheidungen sein können. Kursziele regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten ist also unverzichtbar.
Grund 4: Fundamentaldaten ändern sich
In der Bewertung einer Aktie spielen die Fundamentaldaten des jeweiligen Unternehmens eine entscheidende Rolle. Verschlechtern sich diese Daten, kann sich auch die Einschätzung des Anlegers ändern und ein Verkauf kann sinnvoll sein. Ein Beispiel wären kontinuierlich schlechter werdende Zahlen in den Quartalsberichten oder eine deutliche wirtschaftliche Underperformance in der eigenen Sektoren-Vergleichsgruppe.
Deswegen ist es wichtig, dass Anleger die fundamentalen Daten der Unternehmen in Ihrem Portfolio im Auge behalten. Dazu gehört die Auswertung von Bilanzen, Quartalsberichten, das Monitoring der Vorstands-Kommunikation und vieles mehr. Die Analysten von DJE, die die Portfolios bei Solidvest steuern, führen zusätzlich hunderte Gespräche mit Unternehmensentscheidern, um sich ein genaues Bild zu machen. Ein grundlegendes Verständnis für die fundamentale Analyse von Unternehmen ist für Einzeltitel-Investoren unerlässlich.
Grund 5: Übernahme oder Fusionen
Der Verkauf einer Aktie kann auch dann sinnvoll sein, wenn das Unternehmen fusioniert oder eine Übernahme stattfindet. Oft steigt der Kurs eines Unternehmens merklich, wenn es mit einem deutlichen Aufpreis auf den Börsenkurs übernommen wird. Das wiederum kann zu Abverkäufen führen, wenn Anleger Gewinne mitnehmen wollen. Bevor eine solche Verkaufsentscheidung gefällt wird, sollte aber unbedingt geprüft werden, ob die Fusion beziehungsweise die Übernahme die wirtschaftliche Perspektive eines Unternehmens nicht sogar verbessert und somit dem Anleger nützlich ist.
Grund 6: Ein Abverkauf
Auch im Falle eines allgemeinen Abverkaufs kann es sinnvoll sein, Aktien zu verkaufen. Nicht jeder hat einen langfristigen Anlagehorizont und kann heftige Marktkorrekturen oder Abverkäufe aussitzen. Allerdings stellt sich bei kurzen Anlagezeiträumen ohnehin die Frage, ob der Kapitalmarkt mit seinen impliziten Risiken der richtige Ort für das eigene Geld ist. Zu taktieren und den Markt timen zu wollen, um dann im Tiefpunkt wieder einzusteigen, ist selbstverständlich ein attraktiver Plan. Aber eben auch nicht ohne Risiko. Denn: Ein Anleger muss für gutes Markttiming immer mindestens zweimal richtig liegen. Einmal beim Ausstieg und einmal beim Wiedereinstieg. Warum aus unserer Sicht Markttiming für Privatanleger oft die unterlegene Lösung ist, haben wir in diesem Blogbeitrag zusammengefasst.
Der Sinn eines Verkaufs ist immer situativ abhängig
Pauschal lässt sich nicht sagen, wann ein Verkauf sinnvoll ist. Diese Entscheidung ist von Anleger zu Anleger und von Aktie zu Aktie unterschiedlich. Es ist entscheidend, ganz genau hinzuschauen und sich in der Tiefe mit seinen Investments zu beschäftigen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Und was ist nun mit „Sell in May“? Nur so viel: Nach dem historisch schlechten Börsenmonat April Verkäufe zu tätigen, dürfte in den aller meisten Portfolios Verluste realisieren. Wer bei seiner Geldanlage eine langfristige Perspektive verfolgt, kann mit größerer Ruhe agieren.