Nachdem Anleihen lange ein wenig attraktives Rendite-Risikoprofil aufwiesen und somit für viele Anleger kaum interessant waren, hat sich, wie an anderer Stelle geschrieben, das Blatt gewendet. Festverzinsliche Wertpapiere stehend zunehmend höher in der Gunst der Anleger, privat wie professionell. Das Problem dabei: Viele Privatanleger kennen die Besonderheiten von Anleihen kaum. Das führt zu zahlreichen Missverständnissen und teilweise sogar problematischen Anlageentscheidungen. Dieser Beitrag soll dabei helfen, die wichtigsten Eigenheiten von Anleihen zu verstehen und unnötige Fehler zu vermeiden.
Ablaufrendite ist nicht gleich Aktienrendite
Wer in Aktienfonds und Aktien investiert tut dies nicht zum Spaß an der Freude, sondern mit dem Ziel, eine Rendite zu erzielen. Vereinfacht gesagt: Mein angelegtes Geld zu vermehren. Bei Aktien funktioniert das durch steigende Kurse und zT. ausgeschüttete Dividende. Auch Anleihen haben einen Kurs, der steigen oder fallen kann. Allerdings fällt direkt ein wichtiger Unterschied auf: Der Kurs einer Anleihe wird nicht absolut in einer Währung, sondern in Prozent angegeben. Diese Angabe bezieht sich immer auf den Nominalwert der Anleihe und drückt aus, zu welchem Wert ein Käufer diese Anleihe Stand jetzt kaufen könnte. Der Kurs kann während der Laufzeit der Anleihe ebenfalls schwanken, sowohl über als auch unter 100%.
Zum Ende der Laufzeit wird der ursprüngliche Nominalwert der Anleihe, sofern das Unternehmen weiterhin solvent ist, zurückgezahlt. Denn eine Anleihe ist, anders als eine Aktie, kein Anteilsschein, sondern eine Schuldverschreibung, also ein Kredit. Und unterliegt damit grundsätzlich anderen Mechaniken in Sachen Rendite.
Wenn der Zins mitmischt
Bei der Kursentwicklung der Anleihe kommt der Zins ins Spiel. Denn bei der Ausgabe von Anleihen orientieren sich Unternehmen am risikofreien Refinanzierungszins, der durch die Notenbanken des jeweiligen Währungsraums, Fed für den US-Dollar und EZB für den Euro, definiert wird. Steigt dieser, müssen nun auch Unternehmen einen attraktiveren Zins bieten, damit der Markt Ihre Anleihen nachfragt und damit Kredit gewährt.
Auch die alten Anleihen spüren die Auswirkungen von Zinsveränderungen, was sich gut im aktuellen Zinserhöhungszyklus beobachten lässt. Durch die Zinserhöhungen der Zentralbanken sind die Zinskupons älterer Anleihen plötzlich weniger attraktiv als der risikofreie Zins. Bei den meisten Anleihen ist der Kupon nämlich festgesetzt ist und nicht über die Laufzeit flexibel. Um diese Zinslücke zu kompensieren, sinkt die Anleihe im Kurs. Für eine Anleihe, die unter 100% ihres Nominalwerts sinkt, erhält ein potenzieller Käufer dieser Anleihe nun zusätzlich zum Zins den Differenzbetrag zwischen seinem Kaufpreis und der Rückzahlung der Anleihe. Dabei bleibt selbstverständlich das Ausfall- und Emittentenrisiko zu beachten: Wird ein Unternehmen insolvent während der Laufzeit einer Anleihe, geht ein Anleger leer aus. Deshalb ist eine sorgfältige Selektion der Unternehmen insbesondere mit Blick auf die Finanzkraft entscheidend.
Was die Anleihe leisten kann, und was nicht
Wie bereits erläutert, bietet die Anleihe einen festgesetzten Zinssatz während der Laufzeit und die Rückzahlung des Anlagebetrages plus etwaige Kursgewinne, wenn der Anleger die Anleihe zu unter 100% kaufen konnte. Dass Anleihen bei Solvenz des Emittenten zum Laufzeitende vollständig zurückgezahlt werden, unterscheidet die Anlage am grundlegendsten von der Aktie, wo sich Kurse in jede Richtung bewegen und dort auch verharren können. Dieser abgesteckte Entwicklungskorridor macht Anleihen erwartbarer und planbarer als Aktien. Anleihen besserer Bonität schwanken unter anderem deshalb weniger im Kurs als Aktien. Zusätzlich sind Anleihen Fremdkapital, werden also im schlimmsten Fall einer Insolvenz vor den Aktienanlegern (Eigenkapital) bedient.
Doch ein geringeres Schwankungsrisiko bedeutet in der Regel geringere Renditechancen – das gilt auch für Anleihen. Mehr als den gezahlten Kupon plus die Kurserholung auf 100% des Nominalwerts zum Ende der Laufzeit kann eine Anleihe nicht leisten. Damit unterscheidet sie sich grundsätzlich von der Aktie.
(Fast) Alles hängt von der Notenbank ab
Die Notenbanken spielen für das globale Finanzsystem spätestens seit der Finanzkrise 2008/09 eine tragende Rolle und die Auswirkungen ihrer Politik sind unmöglich zu unterschätzen. Jedoch wirken auf den Aktienmarkt noch weitere Einflussfaktoren, die in die eine oder andere Richtung bewegen können. Dies ist bei Anleihen anders.
Der Anleihenmarkt kann sich dem Einfluss der Notenbankpolitik nicht entziehen, insbesondere nicht bei kurzen Laufzeiten und je besser die Bonität des Emittenten ist. Die historisch schnellen Zinserhöhungen der Notenbanken haben durch die zuvor beschriebene Mechanik die Anleihekurse gedrückt. Viele ältere Anleihen notieren daher aktuell unter ihrem Ausgabekurs und wirken sich zumindest temporär negativ auf die Performance gemischter Portfolios aus. Trotzdem gibt es zwei Trostpflaster. Erstens: Etwaige Kursverluste von Anleihen werden zum Laufzeitende aufgeholt, sofern der Emittent solvent bleibt. Und zweitens: Der Anleihenmarkt für Neuanleger und Altanleger deren Papiere nun fällig werden, bietet für die Zukunft attraktivere Zinsen. Wichtig für den Hinterkopf: Auch der umgekehrte Fall kann eintreffen. Sollten die Notenbanken in der Zukunft Ihre Zinsen wieder senken müssen, wird sich das positiv auf die Kurse der Anleihen auswirken, die in der aktuellen Phase gekauft wurden.
Trotzdem sei auch hier gesagt: Generell sind Anlagen am Kapitalmarkt mit Verlustrisiken verbunden. Das gilt auch für Anleihen.
Anleihenspezial im Podcast
Anleihen werden aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen wieder als eine sinnvolle Ergänzung zur Aktienanlage wahrgenommen. Wie hier geschildert ist für interessierte Anleger dabei wichtig zu beachten, dass Anleihen gänzlich anderen Mechaniken unterliegen als die lange favorisierte Aktie. Aus diesem Grund haben wir uns in unserer Podcastreihe „Die Frage ist doch…“ ebenfalls ausführlich mit dem Thema Anleihen beschäftigt. Hören Sie doch mal rein.