Auch wenn August und September nicht als gute Börsenmonate gelten, erwarten wir mit Blick auf den weiteren Verlauf des Jahres gute Aussichten für die Aktienmärkte, mit Vorteilen für Europa und den USA gegenüber Asien und den Schwellenländern. Allerdings gilt es, die Entwicklung der Inflation, der Zinsen und der Corona-Pandemie im Auge zu behalten.
Die Autoren
Das Analystenteam von DJE beobachtet und bewertet die Märkte laufend anhand der hauseigenen FMM-Methode nach fundamentalen, monetären und markttechnischen Kriterien. Einmal im Monat fassen sie ihre Ergebnisse zusammen. Im Gespräch mit dem Wall Street Experten und Finanzjournalisten Markus Koch geht der Leiter der DJE Research Abteilung, Stefan Breintner, auf die zentralen Thesen ein.
Überblick August 2021
Saisonal sind August und September eher schwierige Börsenmonate. Die Markttechnik ist aktuell neutral zu beurteilen, hat sich aber gegenüber dem Vormonat verbessert. Um die Konjunktur muss man sich weiter – mit Blick auf die Entwicklung im 3. Quartal – wenig Sorgen machen, die Gewinnentwicklung der Unternehmen sollte erneut gut ausfallen.
Was man aber im Auge behalten sollte, ist die Entwicklung der Inflation, der Zinsen und von Covid-19. Vor allem in den USA dürfte uns ein erhöhtes Inflationsumfeld erhalten bleiben, was mittelfristig auch zu höheren Zinsen führen sollte. In Asien allerdings, und hier besonders China, ist Inflation derzeit kaum ein Thema. Problematisch sind in Asien aber neue Lockdowns und ansteigende Covid-Fallzahlen. Auch in den USA und Europa dürfte Covid spätestens im Herbst wieder an Bedeutung gewinnen: Kommen auf die US-Wirtschaft neue Pandemie-Belastungen zu, dürfte die Diskussion um Tapering, d.h. um die Reduzierung der Anleihenkäufe, abnehmen und damit das stark positive monetäre Umfeld länger anhalten.
Eine Baisse, ausgelöst durch eine Bremspolitik der US-Notenbank, erwarten wir nicht, ebenso wenig eine starke Korrektur im August oder September. Cash und weitestgehend auch Anleihen sind keine Anlagealternativen, daher behalten wir unsere hohen Aktienquoten bei. Mittel- bis längerfristig dürften die Aussichten für die Aktienmärkte unverändert gut bleiben. Regional bevorzugen wir weiterhin Europa und die USA gegenüber Asien bzw. den Schwellenländern.
Fundamentale Aussicht
- Konjunktur und Entwicklung der Unternehmensgewinne weiterhin positiv
Die globale Konjunktur läuft weiter gut. Unternehmensgewinne haben bisher für das 2. Quartal weitgehend positiv überrascht. Oftmals wurden bei unseren Unternehmen auch die Prognosen für das Gesamtjahr erhöht. Die Produzentenpreise dürften auch in den kommenden Monaten auf sehr hohem Niveau bleiben, stellenweise ist aber auch bereits etwas Entspannung erkennbar. So ist z.B. der vorlaufende US-amerikanische ISM-Index1 von hohem Niveau wieder leicht zurückgegangen. Wir fokussieren uns weiter auf Unternehmen mit einer hohen Preissetzungsmacht2. Überkapazitäten gibt es in vielen Bereichen weiterhin nicht, im Gegenteil: sehr viele Produkten sind weiterhin knapp. Die Orderbücher sind generell gut gefüllt. Viele Unternehmen würden auch gerne ihre weitgehend leeren Lager auffüllen, was aber angesichts der nach wie vor gestörten Lieferketten kaum möglich ist.
Monetäre Aussicht
- Höheres Inflationsumfeld sollte bestehen bleiben
- Inflation derzeit vor allem ein US-Problem
- Zinsen dürften wieder etwas steigen
Die Inflationsentwicklung wird eines der dominierenden Themen an den Kapitalmärkten bleiben. Wir gehen auch für die kommenden Monate von einer anhaltend erhöhten Inflation aus (USA >5%). Generell ist die Inflation vor allem ein US-Problem. In Asien sind die Inflationsraten niedrig (China +1,1%) und auch in Europa sollte die Inflation nicht so stark wie in den USA ansteigen. In den USA könnten aber die gestiegenen Hauspreise mittelfristig Druck auf die Mieten ausüben, sodass vorerst kaum Entspannung bei der US-Inflation in Sicht ist.
Eine stärkere Bremspolitik der FED bzw. eine Baisse am Aktienmarkt erwarten wir aber dennoch nicht. Hier spielt auch Covid wieder eine wichtige Rolle, denn bei neuen Pandemieängsten in den USA (z.B. gab es in Florida jüngst viele Neuansteckungen und eine hohe Krankenhausbelegung) könnte die Tapering-Diskussion erstmal nach hinten geschoben werden. Wir halten es für unrealistisch, dass die immer noch konjunkturdrosselnde Wirkung der Pandemie durch eine monetäre Bremsung verstärkt wird.
Trotz der hohen Inflationszahlen sind die US-Zinsen zuletzt weiter gesunken. Hintergrund sind die anhaltenden Anleihekäufe durch die US-Notenbank und durch die US-Geschäftsbanken, Short-Eindeckungen seitens professioneller Investoren sowie ein saisonmäßig verringertes Angebot an Staatsanleihen. Mit Blick auf die kommenden Monate müssten die US-Zinsen aber tendenziell wieder steigen. Wir bleiben daher bei einer kurzen Duration.
Markttechnische Aussicht
- Weitgehend neutral, aber besser als im Vormonat
Insgesamt haben sich die markttechnischen Indikatoren in den vergangenen vier Wochen verschlechtert. Der NAAIM2-Indikator, welcher die Investitionsquoten von Institutionellen Investoren misst, liegt aktuell z.B. wieder bei 92% (nach 68% Anfang Juni). Die Marktbreite der USA gemessen an der A-D-Linie3 hat sich im Juni verschlechtert, die Aufwärtsbewegung wurde vor allem von im Index hoch gewichteten Titeln getragen. Positiv ist dagegen, dass aktuell nur sehr wenige Future-Long-Positionen auf den S&P 500 bestehen und dass sich „Trends nach oben oftmals länger fortsetzen, als man denkt.“
Sektoren und Länder Aussicht
- Generell achten wir weiter auf ausgewogene Portfolios
- Bessere Aussichten für Europa und USA gegenüber Asien und den Schwellenländern
- Healthcare-Untergewicht weiter abbauen
Wir bevorzugen weiterhin eine ausgewogene Portfolioallokation ohne allzu starke Über- bzw. Untergewichtungen. Weltweit haben sich im Juli vor allem die Sektoren Gesundheitswesen, Immobilien und Technologie überdurchschnittlich entwickelt. In Europa hatten die Sektoren Rohstoffe, Immobilien und Medien die Nase vorn.
Wir haben im Juli unser Untergewicht im Gesundheitssektor reduziert und empfehlen auch weiterhin, Positionen auszubauen. Regional sehen wir weiter Europa und die USA mit besseren Chancen gegenüber Asien und den Schwellenländern. Asien bzw. China bleiben vorerst monetär (schwaches Wachstum Geldmenge M16 in China) und Covid-bedingt (Lockdowns in vielen asiatischen Ländern) belastet.
Währungen/Rohstoffe/Gold
- USD/EUR-Wechselkurs und Gold neutral
- Rohstoffe aus dem Angebotsblickwinkel oft gut unterstützt
Die jüngste leichte Dollarschwäche dürfte vor allem auf die deutlich höhere US-Inflation zurückzuführen sein. Die Markttechnik für den USD/EUR-Wechselkurs ist neutral. Generell wurden US-Dollar-Shorts zuletzt abgebaut, und es herrscht weniger US-Dollar-Pessimismus. Gold schätzen wir ebenfalls neutral ein, nach wie vor kommt die Gold-ETF-Nachfrage nicht richtig in Gang. Gold sollte weiterhin durch das negative Realzinsumfeld unterstützt werden. Rohstoffpreise bzw. Buntmetallpreise haben sich zuletzt trotz schlechterer China-Frühindikatoren sehr gut gehalten, hier dürfte die oftmals sehr angespannte Angebotssituation weiterhin helfen.
Fachbegriffe
1 Der ISM-Index (auch Purchasing Managers Index, ISM Manufacturing Index oder ISM-Einkaufsmanagerindex) ist ein wichtiger und verlässlicher Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität in den USA. Er wird vom Institute for Supply Management (US-amerikanische Non-Profit-Organisation) veröffentlicht. Er gibt Aufschluss über die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Monate und setzt sich aus mehreren Teilindikatoren zusammen: Auftragseingänge, Produktion, Beschäftigung, Lieferfristen und Lagerbestände. Der Index weist bei einem Wert über 50 auf ein Wirtschaftswachstum hin. Die Befragung umfasst 300 Unternehmen aus 20 Industriebereichen der USA, die repräsentativ über das gesamte Land verteilt sind.
2 Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht sind Firmen mit starken Marken wie z.B. der iPhone-Riese Apple oder solche, die eine starke Marktposition besetzt haben wie der Softwarehersteller Microsoft oder der Online-Handelsriese Amazon.
3 NAAIM (National Association of Active Investment Managers): Der NAAIM-Exposure-Index bildet das durchschnittliche Engagement seiner Mitglieder an den US-Aktienmärkten ab. Der NAAIM-Index ist nicht vorausschauend, sondern bietet einen Einblick in die tatsächlichen Anpassungen, die aktive Risikomanager in den letzten zwei Wochen an Kundenkonten vorgenommen haben.
4 Put/Call-Ratio = Verhältnis zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen. Wenn Verkaufsoptionen überwiegen, deutet dies nach vorherrschender Meinung auf eine negative Marktstimmung (Börsensentiment). Überwiegen dagegen Kaufoptionen, deutet dies aus dieser Sicht auf eine positive Marktstimmung. Tatsächlich ist häufig nach hohen Put-Call-Verhältnissen ein Ansteigen der Kurse zu beobachten. Die PCR gilt deshalb als ein Kontraindikator. Dabei ist zu beachten, dass unter normalen Bedingungen weniger Verkaufsoptionen als Kaufoptionen nachgefragt werden; eine ausgeglichene PCR nahe 1 gilt daher schon als Anzeichen einer leicht negativen Marktstimmung.
5 AD-Linie (Advance-Decline-Linie): Marktbreite-Indikator der zeigt, ob mehr Aktien steigen oder fallen. Um eine Aussage über die Gesundheit des breiten Marktes treffen zu können, eignen sich Indikatoren zur Messung der Marktbreite teilweise besser als ein Aktienindex. Besonders bei Trendwenden (Top- und Bottom-Formationen) sind die “klassischen” Aktienindizes eher träge. D.h., wenn z.B. ein neuer Bärenmarkt entsteht, und eine Vielzahl der Aktien schon stark gefallen sind, ist das im Index erst recht spät erkennbar.
6 Geldmenge M1 = Bargeldumlauf bei Nichtbanken (also ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken) plus Sichteinlagen (Einlagen ohne vereinbarte Laufzeit ohne gesetzliche Kündigungsfrist) der Nichtbanken.