Auch wenn sich die Börsen im Oktober erholen konnten, weil die Inflation in den USA rückläufig war und sich die Energiekrise in Europa temporär entspannte – die globale Konjunktur dürfte im November und den kommenden Monaten weiter unter Druck stehen. Für die Unternehmen bleibt es wichtig, ihre Kostenstruktur im Blick haben. Chancen könnten sich bei erneuerbaren Energien bieten.
Die Autoren
Das Analystenteam von DJE beobachtet und bewertet die Märkte laufend anhand der hauseigenen FMM-Methode nach fundamentalen, monetären und markttechnischen Kriterien. Einmal im Monat fassen sie ihre Ergebnisse zusammen. Im Gespräch mit dem Wall Street Experten und Finanzjournalisten Markus Koch geht der Leiter der DJE Research Abteilung, Stefan Breintner, auf die zentralen Thesen ein.
Überblick
Die globalen Wirtschaftsaussichten sind nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) trübe. Dies gilt für die USA, noch mehr für Europa und besonders für Deutschland. Eine Verschärfung der Energiekrise in Europa würde das Wachstum stark belasten und die Inflation in die Höhe treiben. Ein stärkerer Konjunktureinbruch in den kommenden Monaten bzw. im kommenden Jahr ist sehr wahrscheinlich.
Trotz der jüngsten Erholung, v.a. im Zuge der US-Inflationsdaten, die niedriger ausgefallen sind als erwartet, ist großer Optimismus schwer zu rechtfertigen. Positiv zu sehen ist, dass US-Unternehmen nun verstärkt auf die Kosten achten, was Chancen für einige US-Titel bieten könnte. Beim Thema Kosteneinsparungen hinkt Europa hinterher und wird mittel- bis längerfristig stärker durch die Energiekrise belastet. Daher lassen wir bei Unternehmen des produzierenden Sektors in Deutschland und Europa, die stark energiepreisabhängig und wenig internationalisiert sind, Vorsicht walten.
Die US-Inflation könnte sich auch in den kommenden Monaten weiter rückläufig entwickeln. Dennoch dürfte der Druck auf die Notenbanken, die Zinsen weiter zu erhöhen und zunächst weiter restriktiv vorzugehen, hoch bleiben. Nach dem FMM-Modell bleiben damit die fundamentale und monetäre Lage vorerst weiter negativ, die Markttechnik hingegen schätzen wir positiv ein.
Fundamental
- Konjunkturaussichten weltweit trübe, v.a. für Deutschland und Europa
- Erneuerbare Energien bieten Chancen
- Fokus auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht
- China bleibt schwierig einzuschätzen
- Chancen im Rohstoffsektor
Die Konjunkturaussichten sind nicht rosig, weder für die USA noch für Europa und erst recht nicht für Deutschland. Ein stärkerer Konjunktureinbruch in den kommenden Monaten bzw. im kommenden Jahr ist sehr wahrscheinlich. Den US-Markt halten wir weiter für attraktiver, weil er aus unserer Sicht das bessere Chance-Risiko-Verhältnis bietet. US-Unternehmen beginnen mittlerweile verstärkt auf die Kosten zu achten, und z.B. Personal abzubauen, was Chancen für einige Titel bieten könnte. Europa hinkt beim Thema Kosteneinsparungen dagegen hinterher, daher sind wir dem deutschen und europäischen Aktienmarkt gegenüber weiterhin vorsichtig.
In der europäischen Energiekrise sorgte der (zu) warme Spätherbst zuletzt für eine kurzfristige Entspannung. Auf Sicht von einem Jahr könnte sich die Situation aber verschlechtern, da es im kommenden Jahr z.B. deutlich schwieriger werden dürfte, die Gasspeicher zu füllen. Der Winter 2023/24 dürfte daher problematischer werden als der Winter 2022/23. Großartige Verbesserungen bei der Gas- und Stromversorgung sind für die nächsten Jahre in Deutschland nicht zu erwarten. Wir rechnen damit, dass frühestens in etwa vier Jahren in Deutschland und Europa – etwa durch den Ausbau erneuerbarer Energien und neue Energiepartnerschaften – mehr Energie zur Verfügung stehen könnte. Einige energieintensive Unternehmen könnten Deutschland daher verlassen bzw. verstärkt Arbeitsplätze abbauen. Die Arbeitslosigkeit wird in Europa aber auch in den USA zunehmen – die großen Tech-Konzerne haben bereits mit Entlassungen und Einstellungsstopps begonnen.
Auf Sektorenebene bieten Unternehmen aus dem Segment erneuerbare Energien aus unserer Sicht perspektivisch Chancen. Denn die Anzahl an Genehmigungen für Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien dürfte bald stark steigen. Auf der Aktienseite halten wir einen Fokus auf qualitativ hochwertige Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht unverändert für sinnvoll, da diese auch in einem wachstumsschwachen Umfeld solide Gewinne erwirtschaften können und somit langfristig voraussichtlich die beste Anlagealternative bieten.
Die Anlageregion China bleibt weiterhin schwierig einzuschätzen. Allerdings hat sich die Zinsdifferenz zu den USA verschoben, und daher dürfte China mit einem gewissen Zeitverzug von den niedrigeren Zinsen profitieren. Sollte China 2023 die Wirtschaft stärker öffnen und damit die Zero-Covid-Strategie beenden, könnten Wirtschaft und Börse im Reich der Mitte überraschen. Darüber hinaus dürfte China auf der Immobilien- und v.a. der Infrastrukturseite weiter stimulieren. Der Infrastrukturausbau dürfte v.a. den Rohstoffsektor gut unterstützen.
Monetär
- US-Inflationsdaten zuletzt überraschend positiv
- Druck auf Notenbanken bleibt hoch
- Deutsche Staatsanleihen weiterhin unattraktiv
- Ausgewählte Unternehmensanleihen chancenreich
Die letzten Inflationsdaten aus den USA überraschten positiv. Die US-Inflation wird wahrscheinlich auch in den kommenden Monaten zurückgehen, allerdings dürfte der Druck auf die Notenbanken hoch bleiben, die Zinsen weiter zu erhöhen und zunächst weiter restriktiv vorzugehen. Viele Notenbanker scheinen Angst zu haben, ihre Reputation zu verlieren, wenn sie zu wenig tun, also die Zinsen nicht rechtzeitig anheben. Dieser Druck, mehr tun zu müssen, wird vermutlich auch bei der Europäischen Zentralbank zunehmen, denn strukturell dürfte die Inflation in Europa auf einem höheren Niveau bleiben als in den USA.
Die Anlegerstimmung für Bonds bleibt weiterhin sehr negativ. Bei den festverzinslichen Wertpapieren halten wir deutsche Staatsanleihen nach wie vor für unattraktiv. Dagegen bieten ausgewählte hochwertige Unternehmensanleihen aus unserer Sicht weiterhin Chancen. Attraktiv sind vor allem Emissionen, die aktuell bis zu 5% Rendite oder mehr bringen.
Markttechnisch
- Weiter positiv
- Liquidität hoch
- Hoher Pessimismus an den Märkten
Aus dem markttechnischen Blickwinkel erhalten die Märkte weiter Unterstützung. Der Pessimismus an den Finanzmärkten bleibt hoch und die Kassenbestände der Fondsmanager sind auf einem sehr hohen Niveau.
Währungen/Rohstoffe/Gold
- Euro längerfristig weiter belastet
- Kurzfristige Euro-Erholung möglich
- Gold könnte sich erholen
Kurzfristig ist eine Euro-Erholung weiter möglich. Längerfristig dürfte der Euro allerdings durch die Entwicklung in Europa und v.a. in Deutschland durch die Energiepreisproblematik und die erwartete schwache Entwicklung der deutschen und europäischen Handelsbilanz weiter belastet bleiben. Sollten sich die Ukraine und Russland allerdings an den Verhandlungstisch setzen, würde der nachlassende geopolitische Druck den Euro stützen. Und, wenn die EZB die Zinsen stärker als erwartet anheben sollte, würde sich das ebenfalls positiv auf den Euro auswirken. Das Anlegersentiment und die markttechnischen Daten sprechen für eine gewisse Erholung bei Gold.