Die Rallyephase des ersten Jahresdrittels dürfte im Sommer erst einmal von einem Seitwärtstrend abgelöst werden. Eine moderate Inflation könnte Aktien und Sachwerte unterstützen. Die Anlageregionen USA und Europa bleiben interessant. Und auch Rohstoffe und Gold gewinnen wieder an Attraktivität.
Die Autoren
Das Analystenteam von DJE beobachtet und bewertet die Märkte laufend anhand der hauseigenen FMM-Methode nach fundamentalen, monetären und markttechnischen Kriterien. Einmal im Monat fassen sie ihre Ergebnisse zusammen. Im Gespräch mit dem Wall Street Experten und Finanzjournalisten Markus Koch geht der Leiter der DJE Research Abteilung, Stefan Breintner, auf die zentralen Thesen ein.
Überblick Juni 2021
Nach der sehr guten Entwicklung der Börsen in den ersten vier Monaten des Jahres 2021 erwarten wir über den Sommer hinweg zunächst unentschieden oder seitwärts verlaufende Aktienmärkte. Unser Stimmungsindikator, die Markttechnik, ist zurzeit angespannt, und es gibt fundamentalen Gegenwind, der sich in den Debatten um Steuererhöhungen und stärkere Regulierungen in den USA ausdrückt. Allerdings: Massiven Verkaufsdruck gemäß der Börsenweisheit „Sell in May and go away“ oder gar eine Baisse erwarten wir nicht.
Genau beobachten muss man die Entwicklung der Inflationserwartungen: Diese dürften zunächst weiter ansteigen. Solange aber der enorme monetäre Rückenwind anhält – wovon wir zunächst weiter ausgehen – und die Notenbanken nicht massiv gegensteuern, könnte eine etwas höhere Inflation den Aktienmarkt bzw. Sachwerte im Allgemeinen sogar stärker begünstigen. Im Herbst könnte es nach der erwarteten Seitwärtsbewegung wieder deutlicher nach oben gehen.
Regional halten wir Europa und die USA weiterhin für attraktiver als die Schwellenländer. Letztere könnten allerdings, wenn die Belastungen durch die Coronapandemie abnehmen – ein hoher Durchseuchungsgrad sollte zum Beispiel in Brasilien oder Indien bald erreicht sein – zum Jahresende den breiten Markt wieder schlagen. Innerhalb Europas halten wir aktuell Großbritannien für interessant. Nach einer jahrelang schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung könnte es dort demnächst wieder stärker aufwärts gehen.
Fundamentale Aussicht
- Debatte um Steuererhöhungen negativ
- Steuererhöhungen aber generell meist nur kurzfristig belastend
In den USA dürfte es mittelfristig höchstwahrscheinlich zu Steuererhöhungen kommen, die Frage ist in welcher Höhe. US-Finanzministerin Janet Yellen will z.B. stärkere Steuerhöhungen durchsetzen. Theoretisch könnte die erwartete Steuermehrbelastung die zukünftigen S&P 500 Gewinne um bis zu 10% belasten. Unserer Meinung nach ist die Steuerdebatte weitgehend neutral für die Märkte zu sehen: Frühere Steuererhöhungen haben den Aktienmarkt in der Regel nur kurzzeitig gedrückt.
Monetäre Aussicht
- Weiterer Anstieg der Inflationserwartungen
- Moderat höhere Inflation positiv für Aktienmärkte
Viele Marktteilnehmer und Unternehmen befürchten vor allem aufgrund der weltweit angespannten Angebotsketten einen zunehmenden Druck auf die Inputpreise. Der Druck auf die Inflationsraten bleibt daher zunächst bestehen. Viele Zykliker und Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht1 profitieren aber eher von steigenden Rohmaterialpreisen und der angespannten Warenverfügbarkeit.
In der Vergangenheit war die Lohnentwicklung stets der wichtigste Einflussfaktor auf die langfristige Inflationsentwicklung. Steigende Löhne sind aber nicht in Sicht. Vor dem Hintergrund der verhältnismäßig hohen Arbeitslosenquoten sind diese auch nicht wahrscheinlich. Die Anleihenmärkte dürften dagegen bis auf weiteres unter Druck stehen. Daher behalten wir unsere kurze Duration bei. Eine galoppierende Inflation – wie von manchen befürchtet – erwarten wir nicht. Eine etwas höhere Inflation könnte den Aktienmarkt dagegen sogar stimulieren. Sachwerte dürften gesucht bleiben.
Markttechnische Aussicht
- Marktteilnehmer allzu optimistisch
- Angespannte Situation bleibt bestehen
„Sell in May and go away“ wird bei vielen US-Großbanken heiß diskutiert. Auch die Markttechnik ist weiterhin angespannt, das heißt, der Optimismus ist teilweise gefährlich hoch. Ist das der Fall, können schon kleinere Enttäuschungen eine Korrektur auslösen. Der Druck auf die Märkte von dieser Seite bleibt fürs erste bestehen. So liegt beispielsweise der Sentiment-Indikator NAIIM Exposure Index2 aktuell bei 104%, und in dieser Konstellation geht es in der Regel nicht weiter stark nach oben.
Sektoren und Länder Aussicht
- Ausgewogene Portfolios vorteilhaft
- Asien und Schwellenländer nicht übergewichten
Die asiatische Anlageregion ist monetär generell nicht so gut unterstützt wie die USA oder Europa. In China geht die Überschussliquidität weiter zurück. Andere Schwellenländermärkte wie Indien oder Brasilien sind nach wie vor stark durch Corona belastet. Eine Besserung ist hier erst gegen Ende des Jahres in Sicht. Größere Übergewichtungen in Asien oder den Schwellenländern sollten reduziert werden. Vorsicht ist unserer Meinung nach auch in Teilbereichen des Immobilienmarktes angebracht: Hier könnte es durchaus zu einer zukünftig höheren Besteuerung der Eigentümer kommen und in Märkten wie Deutschland ist zusätzlich mit politischem Gegenwind zu rechnen.
Währungen/Rohstoffe/Gold
- Euro gegenüber US-Dollar neutral eingeschätzt
- Rohstoffe und Gold positiv
Nach der jüngsten Euro-Erholung haben wir aktuell eine weitgehend neutrale Meinung zum USD/EUR-Wechselkurs. Positiv bleiben wir für den Rohstoffsektor. Hier trifft eine weiterhin hohe Nachfrage auf ein begrenztes Angebot. Auch Gold- und Goldminenaktien sehen wir nun wieder positiver. Insbesondere im Falle von Gold ist die Markttechnik aktuell klar positiv.
Fachbegriffe
1 Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht sind Firmen mit starken Marken, wie der iPhone-Riese Apple, oder solche, die eine starke Marktposition besetzt haben, wie der Softwarehersteller Microsoft oder der Online-Handelsriese Amazon.
2 NAAIM = National Association of Active Investment Managers. Der NAAIM Exposure Index bildet das durchschnittliche Engagement seiner Mitglieder an den US-Aktienmärkten ab.
Der NAAIM Index ist nicht vorausschauend, sondern bietet einen Einblick in die tatsächlichen Anpassungen, die aktive Risikomanager in den letzten zwei Wochen an Kundenkonten vorgenommen haben.