Der Krieg in der Ukraine sorgt an den Märkten, die ohnehin monetären Gegenwind haben, für Unruhe. Energie- und rohstoffabhängige Sektoren stehen unter Druck, und zusätzlich belasten die westlichen Sanktionen gegen Russland den Bankensektor. Es gilt, in der Krise besonnen zu agieren und sich bietende Chancen zu nutzen.
Die Autoren
Das Analystenteam von DJE beobachtet und bewertet die Märkte laufend anhand der hauseigenen FMM-Methode nach fundamentalen, monetären und markttechnischen Kriterien. Einmal im Monat fassen sie ihre Ergebnisse zusammen. Im Gespräch mit dem Wall Street Experten und Finanzjournalisten Markus Koch geht der Leiter der DJE Research Abteilung, Stefan Breintner, auf die zentralen Thesen ein.
Überblick Februar 2022
Bereits im Januar erfuhren der S&P 500 und der Nasdaq 100 die größten Kursverluste auf monatlicher Basis seit dem Corona-Einschnitt im März 2020. Auf diesen anspruchsvollen Monat folgte ein schwieriger Februar, in welchem der Weltindex MSCI in Euro knapp 3% und der DAX mehr als 6,5% verlor. Darum halten wir bereits seit unserem letzten (außerplanmäßigen) Strategiemeeting Mitte Februar Vorsicht für geboten und haben die Cash-Quoten erhöht.
Die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs hält die Nervosität an den Märkten hoch. Dauer und Ausgang der kriegerischen Handlungen sind derzeit kaum abschätzbar. Die von der monetären Seite her bereits belasteten Börsen werden durch die geopolitischen Verwerfungen noch stärker belastet. Aufgrund der hohen Inflation steht die US-Notenbank weiter unter starkem Druck, die Zinsen zu erhöhen und Liquidität abzuschöpfen. Wir agieren daher weiterhin vorsichtig mit einer Investitionsquote unterhalb des Neutralwerts von 70% und könnten diese tendenziell noch weiter reduzieren. Mögliche Cash-Alternativen sehen wir z.B. bei 5-jährigen US-Staatsanleihen.
Regionen
- USA konjunkturell und börsentechnisch besser als Europa
- Starke Belastung Deutschlands und Europas durch den Ukrainekrieg
Die USA dürften sich fortan konjunkturell und börsentechnisch besser entwickeln als Europa, da die USA vom Krieg weit weniger betroffen sind als Europa und über eigene Energiereserven verfügen. Deutschland und Europa dagegen dürften durch den Krieg in der Ukraine konjunkturell stärker belastet werden. Die bereits hohen und voraussichtlich weiter steigenden Energiepreise und die zunehmende Unsicherheit setzen Europa mehr unter Druck als die USA. Deutschland könnte der Hauptleidtragende sein: Hohe Öl- und Gaspreise, eventuell stark steigende Flüchtlingszahlen und größere Angebotsstörungen in der Industrie könnten zu stärkeren Belastungen führen. Wir bevorzugen daher die USA vor Europa.
Sektoren
- Automobile, Finanzen, Chemie und Bauwesen & Materialien belastet
- Mögliche Chancen für Technologie und Gesundheitswesen
- Grundstoffe bleiben gefragt
Die Automobilproduktion könnte stärker als erwartet unter Druck kommen: Russland kontrolliert über das Bergbauunternehmen Nornickel1 ca. 40% des weltweiten Palladiums: Liefert Nornickel nicht mehr, wird die Automobilproduktion unter Druck kommen, da Palladium dann für die Katalysatorproduktion fehlt. Lieferausfälle bei Nickel könnten außerdem die Batterieherstellung in Bedrängnis bringen. In einem schwierigeren konjunkturellen Umfeld kann auch der Sektor Bauwesen unter Druck geraten, da steigende Baukosten nicht mehr so gut weitergegeben werden können, was die die Margen verengen sollte. Banken und Versicherungen werden aus unserer Sicht unter den westlichen Sanktionen gegen Russland und zusätzlich unter den Verwerfungen auf der Bondseite zu leiden haben. Aber es gibt auch Sektoren, für die das jetzige Umfeld Chancen bietet. Dazu gehören aus unserer Sicht die Gesundheitsbranche, der Technologiesektor und Grundstoffe.
Währungen/Rohstoffe/Gold
- US-Dollar dürfte aufgrund des Ukrainekonflikts weiter aufwerten
- Gold ist überkauft
- Palladium- und Nickelpreise dürften steigen
Der US-Dollar gilt in Krisen als „sicherer Hafen“. Daher dürfte der Greenback vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges weiter aufwerten. Gold, das ebenfalls als krisenfest gilt, ist aus unserer Sicht markttechnisch bereits überkauft, bleibt aber im aktuellen Umfeld eine gute Absicherungsalternative. Durch mögliche Angebotsstörungen bzw. Lieferausfälle könnten die Preise u.a. für Palladium- und Nickel steigen.
Fußnoten
1 Nornickel (auch MMC Norilsk Nickel = Mining and Metallurgical Company Norilsk Nickel) ist ein russisches Bergbauunternehmen mit Schwerpunkt Metallurgie und einer der weltweit führenden Produzenten von Nickel, Palladium, Platin und Kupfer. Zur weiteren Produktpalette gehören Chrom, Kobalt, Rhodium, Silber, Gold, Sulfur und Tellur. Ein Netzwerk von Partnerunternehmen befindet sich in Russland, Großbritannien, China, USA (Nornickel ist die Muttergesellschaft der Stillwater Mining Company, einem der größten Platinhersteller in den USA) und der Schweiz.