KI-Investitionen: Infrastruktur boomt, Anwendungen stagnieren

01
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August
2024
·
Analysten Reports

Die so genannten Hyperscaler wie Microsoft und Amazon haben in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau ihrer KI-Kapazitäten investiert. Die geschätzten Direkteinkäufe allein bei Chiphersteller NVIDIA lagen 2023 bei 33 Mrd. US-Dollar. Die prognostizierten Einkaufsvolumina für 2024 betragen 57 Mrd. US-Dollar, für 2025 sogar 71 Mrd. US-Dollar (Quelle: Bloomberg, JP Morgan). Diese umfassenden Investitionen erlaubten den Hyperscalern, erste Milliardenumsätze mit ihrem Plattformgeschäft zu generieren. Ihre Plattform stellen sie weltweit für Unternehmen bereit, die selbst mit KI experimentieren wollen.

Investitionen stehen erst am Anfang

Dass die Investitionen in KI-Kapazitäten wohl gerade erst begonnen haben, verdeutlicht eine aktuelle Studie von Goldman Sachs. Der Investment Bank zufolge könnten in den nächsten Jahren mehr als eine Billion US-Dollar in die AI-Infrastruktur (Server, Chips, Datacenter, Energieversorgung) fließen. Vor dem Hintergrund sind die Ergebnisse der CIO-Survey von Morgan Stanley und weitere Untersuchungen zu beachten.

Diese zeigen zwar, dass KI das technologische Top-Thema in der Unternehmenswelt geworden ist und die meisten Investitionen dorthin fließen, Entscheider sich aber durchaus bewusst ist, dass nicht alle AI-Projekte zum Erfolg führen werden. Ein gewisser Reifeprozess lässt sich auch an der Erwartungshalt ablesen: Mit ersten KI-Erfolgen in Produktion rechnen Unternehmen demnach erst nach 2025. Allmählich dringt die Erkenntnis durch, dass KI selten trivial out-of-the-box geliefert werden kann, sondern es sich hier um sehr anspruchsvolle IT-Entwicklungsarbeit handelt. Fachkräfte im AI-Bereich sind zudem äußerst noch rar.

NVIDIA steht im Zentrum

Ohne Frage steht das Chipunternehmen NVIDIA im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der KI-Entwicklungen. Der Chiphersteller hat derzeit einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent an den eingesetzten Chips (GPUs) im AI-Bereich. Ein Vorteil gegenüber dem Wettbewerb: Das Unternehmen hat bereits vor 2010 und damit zwölf Jahre vor der Konkurrenz angefangen, eine Programmierplattform mit dem Namen CUDA zu entwickeln, damit Kunden ihre GPU-Chips möglichst optimal ansteuern und einsetzen können. Basierend auf dieser Plattform hat NVIDIA zudem eine über die Jahre stark angewachsene Bibliothek erstellt, um für möglichst viele Anwendungsfälle die Entwicklung zu erleichtern.

Eigene Entwicklerplattform als Erfolgsfaktor

Dies baut den Burggraben gegenüber der Konkurrenz weit aus, um die GPUs im Markt zu etablieren. NVIDIA bringt also nicht nur mit hoher Frequenz neue, verbesserte Chiparchitekturen auf den Markt, sondern ermöglicht verschiedensten Entwicklern auf diesem Weg eine optimale Nutzung. Die Zahlen belegen das: Über fünf Millionen Entwickler nutzen CUDA zur KI-Programmierung. Ein Umstieg auf andere Chips bedarf einer Änderung der Programmierung, was bei den betroffenen Unternehmen erheblichen Migrationsaufwand verursacht.

Endlose Anwendungsfälle für KI?

NVIDIA treibt KI-Entwicklungen nicht nur im Large Language Model (LLM) Bereich voran, sondern u.a. auch in anderen Bereichen wie der Medizin/ Genetik bei der Erforschung neuer Medikamente, selbstfahrenden Autos, Wettervorhersage, persönliche digitale Assistenten, Verkaufsberater, der Robotik zur Fertigung, wie auch humanoide Roboter (auch hier hoher Marktanteil).

Die Vorstellungskraft scheint bezogen auf KI-Anwendungen nahezu unerschöpflich, konkrete Durchbrüche, wie beispielsweise durch ChatGPT vorherzusagen ist jedoch schwer. Aus heutiger Sicht ist klar: Der Chip-Marktführer wird durch seine enorme Größe, seinen Forschungsvorsprung und die wachsenden Burggräben weiterhin eine Führungsrolle in der weltweiten KI-Entwicklung einnehmen. Bei der Bewertung des Unternehmens sollten Anleger jedoch genau hinschauen, wann Einstiegszeitpunkte sind und wann man besser Vorsicht walten lassen sollte.

Wie weit kann die KI-Rallye noch gehen?

Die KI-Rallye hat seit letztem Jahr bisher zwei größere Korrekturen gezeigt: im Herbst 2023 um -8,7% und im Frühjahr 2024 um -13,7%. Beide Korrekturen haben sich im Nachhinein als gute Einstiegsgelegenheit in diverse Unternehmen mit größerem KI-Umsatzanteil gezeigt. Nach den recht hochgelaufenen Kursen und entsprechenden Bewertungen ist ein weiteres Korrekturszenario vorstellbar. Sollte es dazu kommen, dürften sich bei verschiedenen Werten durchaus wieder Einstiegsgelegenheiten ergeben.

Diese KI-Unterbereiche haben sich gut entwickelt

Der gesamte Infrastrukturbereich war bisher innerhalb des KI-Booms sehr interessant. Dieser erstreckt sich von Chip Designern wie Broadcom, über KI-Serverlieferanten, Komponententester, Platinenhersteller, Speicherchiphersteller und das Chip Packaging. Aber auch Halbleiterausrüster wie ASML, die Maschinen zur Chip-Produktion herstellen, Unternehmen aus dem Bereich Vernetzung und natürlich die Chiphersteller, die im KI-Bereich größere Umsätze erzielen (NVIDIA, TSMC), waren interessant.

Zuletzt erweiterte sich der Boom auf Unternehmen, die die wichtige Energieversorgungsfrage und die Kühlung von Rechenzentren adressieren, da man aufgrund der starken Nachfrage nach KI-Servern immer größere Rechenzentren mit größerem Energiebedarf erbauen muss.  Zwar werden die Chips immer energieeffizienter, sie benötigen jedoch eine immer stärkere Kühlung.

KI-Anwendungen noch mit schwachen Umsätzen

Auf der Seite der Firmen, die KI nutzen, um den Endkunden einen echten Mehrwert zu bieten, sah es bisher im Verhältnis dazu bescheidener aus. Zwar gibt es im Softwarebereich zahlreiche Anwendungen wie KI-CoPiloten, KI-Assistenten für Steuersoftware oder Lösungen in der Prozessoptimierung. Die Firmen in diesen Bereichen können aber noch keine nennenswerten, KI-getriebenen Umsätze vorweisen. Das gilt auch für die zahlreichen Startups im Bereich KI, von denen es erfahrungsgemäß ohnehin nur wenige schaffen.

Selbst die Hyperscaler, die in Summe über 100 Milliarden US-Dollar in den Jahren 2023 und 2024 in AI gesteckt haben, generieren bisher lediglich einen einstelligen Prozentbereich ihres Umsatzes aus dem KI-Geschäft.

Endet der Wettlauf oder erreicht er ein neues Level?

Noch befinden sich die Hyperscaler im kostspieligen Wettlauf um das beste KI-Angebot, das beste Datenmodell, die besten vortrainierten Modelle und den bestfunktionierenden Chat bzw. Assistenten. Angesichts der hohen Investitionen drängen sich Fragen auf: Werden die Hyperscaler ihre Investitionen aufgrund der fehlenden Einnahmen zeitnah kürzen müssen? Oder wird das Rennen hin zur AGI – zur künstlichen allgemeinen Intelligenz – alles überlagern und werden die immensen Investitionen weitergeführt?

Unter der AGI (Artificial General Intelligence) versteht man eine Künstliche-Intelligenz, die der des Menschen gleichkommt. Die bisherigen Large-Language-Modelle verdoppeln ihre Größe aktuell alle sechs Monate, und stehen derzeit bei etwa zwei Billionen Parametern. Diese Entwicklung verbessert die Genauigkeit der Ergebnisse. Bis hin zu einer ähnlichen Struktur des menschlichen Gehirns mit 100 Billionen Synapsen, also Verbindungen zwischen den Nervenzellen, ist laut der Bank of America jedoch noch ein erheblicher Weg zu gehen.

Produktivität braucht ihre Zeit

Insgesamt lässt sich festhalten, dass auf der Seite der Kunden- und Endnutzer-Anwendungen im Vergleich zu den gigantischen Investitionen auf der Infrastrukturseite unverhältnismäßig wenig angekommen ist. Ein Blick in die Geschichte zeigt allerdings auch, dass dies bei allen größeren strukturverändernden Entwicklungen anfangs der Fall gewesen ist – egal ob Internet oder Eisenbahnnetz.

Hohe Bewertungen bergen Risiken

Trotzdem ist eine gewisse Vorsicht auf Anlegerseite gesund. Es empfiehlt sich, regelmäßig zu überprüfen, wie weit fortgeschritten die KI-Entwicklung ist, wer wovon profitiert und wie lange dies ohne genügend Einnahmen auf der Kundenseite gut gehen kann. Es ist nicht auszuschließen, dass der KI-Boom zu einer Blase geführt hat, deren Luft aufgrund überhöhter Bewertungen abgelassen werden muss. Dies dürfte dann primär die einstigen Highflyer treffen.

Die technologischen Möglichkeiten erscheinen jedoch zu überwältigend, als dass man diese aus Anlegersicht komplett ignorieren sollte. Eine teilweise Partizipation unter gewisser Vorsicht nach ordentlicher Prüfung der Investitionen ist hier ratsam. Auch Teilausstiege und Gewinnmitnahmen können sinnvoll sein. Wir befinden uns höchstwahrscheinlich am Anfang einer neuen Technologiedekade. Die Investition in die neue Technologie hat diesmal schneller stattgefunden als bei vorherigen strukturändernden Technologien. Was sich jedoch nicht geändert hat: Einige Werte dürften inzwischen zu weit gelaufen sein und eine zu große Entwicklung zu schnell vorweggenommen haben.

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