Infolge der Schuldenpolitik der neuen Regierung haben deutsche Wohnimmobilienaktien deutlich korrigiert. Dies wirft die Frage auf, ob es sich dabei um eine Einstiegsgelegenheit handelt – oder ob eine zweite Korrektur der Immobilienpreise infolge weiter steigender Zinsen bevorsteht.
Vieles spricht derzeit für einen günstigen Einstiegszeitpunkt: Die Transaktionsvolumina hatten sich im vierten Quartal stabilisiert, teils sogar belebt – bei Eigentumswohnungen waren bereits leichte Preissteigerungen zu beobachten. Doch das umfangreiche Schuldenpaket der neuen Regierung für Infrastruktur und Verteidigung führte zum stärksten Zinsanstieg seit der Wiedervereinigung. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen erreichte in der Spitze drei Prozent und liegt aktuell bei 2,7 %. Ursprünglich war für dieses Jahr eine moderate Preisstabilisierung am Immobilienmarkt erwartet worden – angesichts des neuen Zinsniveaus scheint dieses Szenario inzwischen unwahrscheinlich. Sollte sich der Zinsanstieg fortsetzen, droht sogar ein erneuter Preisrückgang.
Steigende Mieten gleichen einen Teil des Zinsanstiegs zwar aus. Doch würde das Renditeniveau nachhaltig über die kritische Marke von drei Prozent steigen, könnte dies eine zweite Abwärtsbewegung bei den Immobilienpreisen auslösen. Allerdings gilt ein Preisverfall wie in der ersten Korrekturphase – mit einem Rückgang von rund 20 Prozent – als unwahrscheinlich. Die börsennotierten Wohnimmobiliengesellschaften haben sich durch gezielte Verkäufe in der Krise finanziell gestärkt. Zwar ist der Verschuldungsgrad – gemessen als Loan-to-Value (LTV) – nach wie vor hoch, doch der Handlungsspielraum ist heute größer als zu Beginn der Korrektur. Auch Ratings sind derzeit nicht in Gefahr.
Zudem notieren die Aktien der großen Gesellschaften weiterhin mit hohen Abschlägen zum Nettovermögenswert (NTA). Dennoch gilt: Ein erneuter Zinsanstieg über drei Prozent dürfte die Aktienkurse weiter belasten – vor allem, wenn damit einhergehend die Immobilienpreise erneut unter Druck geraten.
Historisch hohe Abschläge bieten langfristiges Potenzial
Abgesehen von der Zinsproblematik spricht aber vieles für die Wohnimmobilienaktien. Anders als viele andere Sektoren sind sie nicht von der US-Zollpolitik oder einer möglichen Rezession betroffen. In nahezu allen größeren Metropolen herrscht akuter Wohnungsmangel – die Leerstandsquoten sind entsprechend niedrig. Das aktuell kräftige Mietwachstum von drei bis vier Prozent (je nach Region) dürfte selbst bei schwächerer Konjunktur weitgehend stabil bleiben.
Auch die Bewertung spricht für die Papiere: Nach der bereits erfolgten Korrektur sind die Abschläge zum Nettovermögenswert (NTA) historisch hoch – in einzelnen Fällen liegt der Abschlag bei über 60 Prozent. Vergleichbare Bewertungsniveaus gab es zuletzt während der ersten Phase der Zinsnormalisierung. Allerdings war die Situation damals kritischer: Nach Jahren steigender Immobilienpreise stand eine spürbare Preiskorrektur bevor, und hohe Verschuldungsquoten zwangen viele Anbieter zu umfangreichen Verkäufen in einem schwierigen Marktumfeld.
Auch aus Sicht der Ertragsbewertung erscheinen die Titel attraktiv: Das Verhältnis von Preis zu Funds from Operations (P/FFO) liegt aktuell bei nur zehn bis 20 – historisch betrachtet ein günstiges Niveau. Das Gewinnwachstum ist allerdings begrenzt: Zwar liegt das durchschnittliche Mietwachstum bei rund vier Prozent, was bei einem LTV von knapp 50 Prozent rechnerisch etwa acht Prozent Gewinnwachstum bedeuten würde. Doch die höheren Refinanzierungskosten zehren diesen Effekt weitgehend auf.
Wohnimmobilien bleiben ein stark regulierter Markt – doch das Umfeld hat sich zuletzt stabilisiert.
Der Berliner Mietendeckel erwies sich als nicht wirksam und wurde schließlich vom Verfassungsgericht aufgehoben. In der Folge ging das Mietwohnungsangebot in der Hauptstadt zeitweise um nahezu 50 % zurück – das Investorenvertrauen wurde dadurch nachhaltig erschüttert. Noch heute wird fast jede zweite Mietwohnung in Berlin möbliert – und damit außerhalb der regulierten Mieten – angeboten. Das ist bundesweit der höchste Anteil.
Hinzu kommen stark gestiegene Baukosten und deutlich höhere Zinsen, die den Neubau massiv einbrechen ließen: Nach 294.400 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2023 dürfte die Zahl 2025 voraussichtlich nochmals rückläufig sein – und damit die ohnehin große Wohnungsknappheit weiter verschärfen. Laut Pestel Institut fehlen derzeit rund 550.000 Wohnungen in Deutschland. Angesichts dieser Entwicklung agiert die Politik vorsichtiger. Eine Verschärfung der Mietpreisbremse steht derzeit nicht zur Debatte.
Die neue Bundesregierung fokussiert sich stattdessen auf die Förderung des Wohnungsneubaus. Ziel ist es, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und den Wohnraum durch Nachverdichtung – etwa durch Aufstockung bestehender Gebäude, Schließung von Baulücken oder die Nutzung von Brachflächen – effizient zu erweitern. Auch der Gebäudetyp E, der vereinfachtes und kostengünstigeres Bauen ermöglichen soll, soll nun umgesetzt werden. Der soziale Wohnungsbau soll durch zusätzliche Mittel gestärkt werden.
Schuldenpaket und Zölle erhöhen Inflationsrisiko
An der Regulierung bestehender Mieten sind hingegen keine grundlegenden Änderungen vorgesehen: Die Mietpreisbremse soll um vier Jahre verlängert werden. Zwar setzt sich die SPD dafür ein, die Kappungsgrenze – also die maximal zulässige Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren – von derzeit 15 % auf sechs Prozent zu senken. Eine Zustimmung von CDU/CSU gilt jedoch als unwahrscheinlich, sodass die bisherige Regelung voraussichtlich Bestand haben wird.
Dennoch bleibt die Zinsentwicklung der entscheidende Faktor für den Markt. Die Ankündigung eines über eine Billion Euro schweren Schuldenpakets für Infrastruktur und Verteidigung ließ die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen um 30 Basispunkte steigen – ein spürbarer Impuls. Laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dürfte die Schuldenstandsquote Deutschlands dadurch bis 2037 von derzeit rund 63 % auf etwa 85 % des Bruttoinlandsprodukts steigen. Im internationalen Vergleich bewegt sich Deutschland damit weiter im Normbereich.
Allerdings bleibt fraglich, ob die bestehenden Strukturen – insbesondere in Bezug auf Digitalisierung und Fachkräftemangel – überhaupt die Umsetzung eines so ambitionierten Investitionsprogramms erlauben. Sollte das gesamte Volumen des Pakets tatsächlich ausgeschöpft werden, wäre dies mit hoher Wahrscheinlichkeit inflationär. Zusätzlichen Preisdruck könnte auch die Einführung neuer US-Zölle verursachen – auch hier ist mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen.
US-Zölle und Rezessionssorgen – Rückenwind für deutsche Wohnimmobilien?
Die Einführung hoher Zölle in den USA hat die Sorgen vor einer Rezession deutlich verstärkt. In einem solchen Szenario könnten insbesondere deutsche Wohnimmobilien profitieren. Ein weltweiter Rückgang des Inflationsdrucks wäre wahrscheinlich – und damit verbunden eine stärkere Ausrichtung der Notenbanken auf wirtschaftsstimulierende Maßnahmen. In den USA könnte die US-Notenbank die Leitzinsen deutlich stärker senken als bislang erwartet. Auch in Deutschland würden die Inflationsrisiken sinken, was wiederum für eine eher rückläufige Zinsentwicklung spräche.
Deutsche Wohnimmobilienaktien gelten als besonders konjunkturresistent. Selbst bei einer spürbaren wirtschaftlichen Abkühlung sollte sich das Mietwachstum angesichts des strukturellen Wohnungsmangels kaum abschwächen. Dennoch meiden viele Investoren derzeit Immobilienaktien – aus Sorge vor weiter steigenden Zinsen. Stattdessen fließt Kapital vermehrt in defensive Sektoren wie Telekommunikation oder Versorger.
Doch gerade im Vergleich zu diesen Sektoren zeigen sich Wohnimmobilien robuster: Während sich ein schwächeres makroökonomisches Umfeld bei Versorgern in Form sinkender Strompreise und im Telekomsektor durch Konsumzurückhaltung (z. B. Wechsel zu Billiganbietern) negativ auswirken kann, bleiben die Cashflows der Immobilienunternehmen vergleichsweise stabil.
Fazit
Die Kursrückgänge bei deutschen Wohnimmobilienaktien infolge des neuen Schuldenpakets und des damit verbundenen Zinsanstiegs könnten sich als Einstiegschance erweisen. Für ein Investment spricht neben dem attraktiven Bewertungsniveau – mit einem Abschlag zum Nettovermögenswert von rund 40 % und einem P/FFO von etwa 12 % – das anhaltend starke Mietwachstum von rund vier Prozent sowie ein insgesamt stabiles regulatorisches Umfeld.
Besonders interessant wird das Segment im Falle einer US-Rezession: Sinkende Inflationsrisiken könnten zu fallenden Zinsen führen – ein Szenario, von dem deutsche Wohnimmobilienaktien besonders profitieren würden. Kurzfristig ist allerdings auch ein weiteres Überschießen der Zinsen auf über drei Prozent möglich, sollte sich der inflationsfördernde Effekt des deutschen Schuldenprogramms und der US-Zölle durchsetzen. In diesem Fall wären weitere Kursrückgänge nicht auszuschließen.