Der Aufwärtstrend an den Börsen setzt sich zunächst fort, die Notenbanken haben den Boden üppig bereitet. Selektive Technologiewerte und besonders wenig steuersensible und wachstumsstarke Cleantech-Werte bleiben attraktiv. Corona-Verlierer wie die Pharmabranche haben Aufholpotenzial.
Die Autoren
Das Analystenteam von DJE beobachtet und bewertet die Märkte laufend anhand der hauseigenen FMM-Methode nach fundamentalen, monetären und markttechnischen Kriterien. Einmal im Monat fassen sie ihre Ergebnisse zusammen. Im Gespräch mit dem Wall Street Experten und Finanzjournalisten Markus Koch geht der Leiter der DJE Research Abteilung, Stefan Breintner, auf die zentralen Thesen ein.
Überblick April 2021
Wir blicken weiter konstruktiv auf den laufenden Monat April und sind auch für das zweite Quartal zuversichtlich. Derzeit gibt es keinen Grund, nicht voll investiert zu sein. Allerdings rechnen wir mit weniger Dynamik im zweiten Quartal, denn besonders der März war ein sehr starker Monat an den Börsen. Realistisch erscheint mit Blick auf die nächsten zwei bis drei Monate eine Topbildung und dann eher eine Seitwärtsentwicklung. Im April rücken aus unserer Sicht wieder große, etablierte Technologiewerte stärker in den Fokus.
Blicken wir weiter voraus, rechnen wir mit einem insgesamt etwas schwierigerem zweiten Halbjahr, verglichen mit dem ersten. Im Falle einer „zu guten“ US-Konjunktur könnte erneut die Angst vor Zinserhöhungen aufkommen. Zudem könnten mögliche Steuererhöhungen in den USA und die hierzulande anstehende Bundestagswahl im Herbst die Märkte belasten. Doch es sind auch positive Momente zu erwarten: Im zweiten Halbjahr 2021 könnten vor allem der Pharma- und der Cleantech-Sektor Chancen bieten.
Fundamentale Aussicht
- Konjunkturindikatoren in den USA aber auch in Europa zuletzt stark verbessert
- Risiko einer zu guten US-Konjunktur und Belastung der Unternehmensgewinne durch mögliche Steuererhöhungen
Zuletzt haben sich einige Konjunkturindikatoren in den USA, aber auch in Europa sehr gut entwickelt. In den USA besteht jedoch zunehmend das Risiko, dass die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf zu gut läuft und somit wieder Zinserhöhungsängste in den Vordergrund rücken. Eine zu gute Konjunktur in den USA könnte demzufolge die Börsen mehr belasten, als man heute denkt. Auch mögliche US-Steuererhöhungen sind ein nicht zu unterschätzendes Risiko.
Betrachtet man die Corona-bedingten Auswirkungen auf Finanzmärkte und Realwirtschaft, stellt man fest, dass die USA, Israel oder auch Großbritannien besser durch diese Krise kommen. Die Schwellenländermärkte leiden dagegen unter Impfstoffmangels. Daher rechnen wir kurzfristig mit einer besseren Konjunktur in den USA und Europa als in den Schwellenländern.
Monetäre Aussicht
- Weiterhin hohes Wachstum der Geldmengen-Aggregate
- Seitwärtsentwicklung bei den Zinsen realistisch
Der monetäre Faktor ist weiter uneingeschränkt positiv und beeinflusst die Märkte mehr als alle anderen Faktoren. Das Wachstum der Geldmengen-Aggregate ist nach wie vor hoch. Wir erwarten auf der Zinsseite zunächst keinen weiteren schnellen Anstieg, sondern eher eine Seitwärtsentwicklung. Eine Stabilisierung auf der Zinsseite könnte Wachstumswerte wieder stärker in den Fokus rücken.
Markttechnische Aussicht
- Gemischte Signale
- Im Aufwärtsmarkt Markttechnik nicht überbewerten
Die Markttechnik liefert aktuell gemischte Signale. Wir sehen die Put-Call-Ratios in den USA und in Europa, die gerade auf sehr viel Optimismus im Markt deuten, als kritisch, also als Verkaufssignal an. Auch die aktuelle Sentix-Investorenumfrage, die einen unerwartet hohen Anstieg des Konjunkturoptimismus der Anleger für die Eurozone widerspiegelt, ist aus unserer Sicht eher negativ. Auf der anderen Seite gibt es aber auch positive Signale wie die Ergebnisse der NAAIM2-Umfrage unter aktiven US-Vermögensverwaltern in den USA oder den erhöhten Pessimismus für die US-Technologiebörse Nasdaq nach der negativen Entwicklung im März. Generell gilt: Solange die Börsen im Aufwärtstrend sind, sollte man die Markttechnik nicht überbewerten. Der April ist normalweise ein saisonal guter Monat für die Börse.
Sektoren Aussicht
- Generell weiter auf ausgewogene Portfolios achten
- Technologie-Untergewichte reduzieren
Der Technologiesektor ist aus unserer Sicht weiter aussichtsreich, da die Digitalisierung fortschreitet und immer mehr und tiefer in viele Lebensbereiche und Branchen vordringt. Vor allem große und etablierte Konzerne mit erfolgreichen Geschäftsmodellen und großem Kundenstamm halten wir für attraktiv.
Auch den Pharmasektor könnte im 2. Halbjahr sehr interessant werden. Aktuell leidet der Sektor noch unter dem Corona-Effekt: aufgeschobene oder ausgefallene Arztbesuche, Untersuchungen und Operationen drücken auf das Geschäft. Mit fortschreitenden Impferfolgen dürfte sich dieser Stau auflösen, was das Potenzial für Aufholeffekte in sich birgt.
Der Cleantech-Sektor bleibt aus unserer Sicht aufgrund seines hohen und politisch wie gesellschaftlich gewollten Wachstumspotenzials strukturell attraktiv. Es fließen weiterhin hohe Investitionen in dieser Sparte, die zudem weniger anfällig ist für mögliche Steuererhöhungen und etwaige geopolitische Risiken.
Währungen
- US-Dollar kurzfristig weiter gut unterstützt
- Euroerholung mit Blick auf die nächsten 2-3 Monate möglich.
Der US-Dollar bleibt kurzfristig weiter gut unterstützt, vor allem aufgrund der schneller fortschreitenden Impfkampagne und den damit verbundenen möglichen positiven Konjunkturüberraschungen sowie den höheren Realzinsen. Der Euro ist allerdings inzwischen gegenüber dem US-Dollar überverkauft. Mittelfristig könnte sich der Euro-Wechselkurs wieder erholen, u.a. durch Aufholeffekte im Zuge einer erfolgreichen Impfkampagne und damit einhergehenden positiven Konjunkturüberraschungen und anziehenden Kapitalströmen Richtung Europa
Fachbegriffe
1 Put/Call-Ratio = Verhältnis zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen
Wenn Verkaufsoptionen überwiegen, deutet dies nach vorherrschender Meinung auf eine negative Marktstimmung (Börsensentiment). Überwiegen dagegen Kaufoptionen, deutet dies aus dieser Sicht auf eine positive Marktstimmung. Tatsächlich ist häufig nach hohen Put-Call-Verhältnissen ein Ansteigen der Kurse zu beobachten. Die PCR gilt deshalb als ein Kontraindikator. Dabei ist zu beachten, dass unter normalen Bedingungen weniger Verkaufsoptionen als Kaufoptionen nachgefragt werden; eine ausgeglichene PCR nahe 1 gilt daher schon als Anzeichen einer leicht negativen Marktstimmung.
2 NAAIM = National Association of Active Investment Managers