Unsere positive Einschätzung zum Aktienmarkt und zu Unternehmensanleihen hat sich zuletzt als richtig erwiesen, denn Corona sorgte an den Börsen nicht mehr für Aufregung. Nach vorne geblickt, stellen wir uns taktisch etwas defensiver auf in den kommenden Wochen, bleiben strategisch aber konstruktiv für Aktien.
Erfahren Sie mehr im Video-Interview mit Florian Bohnet, Leiter Research bei DJE, und dem Wallstreet - Experten Markus Koch über das, was die Anleger in den nächsten Wochen erwartet.
Die Autoren
Das Analystenteam von DJE beobachtet und bewertet die Märkte laufend anhand der hauseigenen FMM-Methode nach fundamentalen, monetären und markttechnischen Kriterien. Einmal im Monat fassen sie ihre Ergebnisse zusammen.
Vom Analystenteam der DJE Kapital AG
Die wichtigsten Punkte für die kommenden Wochen:
- Kurzfristig: markttechnisch bedingte Pause/Konsolidierung
- Konjunkturerholung wird schwach verlaufen
- Der monetäre Einfluss überwiegt die ungünstige Markttechnik
- Ausgewogene Sektorallokation - Value gezielt über Industriewerte
Kurzfristig: markttechnisch bedingte Pause/Konsolidierung
Im März konnten wir das kräftigste markttechnische Kaufsignal in der Geschichte feststellen. Seither allerdings hat sich die Lage neutralisiert. Zuletzt haben vor allem Privatanleger die Chancen an den Märkten genutzt und sind sehr aktiv geworden. Bei institutionellen Anlegern ist die Stimmung verhaltener. Die Cash-Quoten sind noch überdurchschnittlich hoch, und die Stimmung ist nicht euphorisch. Auf kurze Sicht mahnt das sehr tiefe Put/Call-Ratio(1) zur Vorsicht.
Viele kurzfristig orientierte Anleger könnten zudem die schnellen Gewinne der letzten Wochen mitnehmen wollen, weil die Vorkrisenniveaus allmählich in Reichweite kommen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass ausgeprägtere Rückgänge von den Marktteilnehmern wieder zum Kauf genutzt werden, weil auch die jüngste Krise den Anlegern erneut deutlich gemacht hat, dass Rückgänge nicht in die Katastrophe führen müssen, sondern Kaufgelegenheiten sind.
Fazit: Das starke Kurs-Momentum wird sich wahrscheinlich nicht fortsetzen. Rückgänge dürften jedoch schnell als Kaufgelegenheiten genutzt werden. Wir rechnen vorerst mit einer Beruhigung bzw. einer Pause im Kursanstieg.
Konjunkturerholung wird schwach verlaufen
Die „harten“ Konjunkturdaten der vergangenen Wochen waren nicht gut. An den Märkten kamen sie im Grunde genommen nur besser an, als sie waren, weil man sie noch etwas schlechter erwartet hatte. Bereits im vergangenen Monat haben wir betont, dass es an der Börse stets um das Übertreffen der Erwartungen geht. Diese waren im Corona-Umfeld ausgesprochen pessimistisch. Schließlich ist die Weltkonjunktur, absolut betrachtet, stark angeschlagen und wird sich auch nur sehr mühsam erholen. Unseres Erachtens wird es noch viele Quartale dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden kann. Genau das ist aber auch der Grund für die monetäre Dauer-Unterstützung durch die Notenbanken und deshalb sogar gut für die Aktienmärkte.
Das immer wieder propagierte Goldilocks-Szenario(2) könnte folglich noch eine ganze Weile anhalten. Die Presse meint dazu, die Börse wäre „verrückt". Aus unserer Sicht allerdings ist das ein üblicher Fehler in einer solchen Marktphase ist, in der die fundamentale Lage katastrophal aussieht. Denn man darf nicht außer Acht lassen, dass viele fundamentale Kennzahlen keine Frühindikatoren sind. Die Börse jedoch schaut immer nach vorn. An hohen Kurs-Gewinn-Verhältnissen darf man sich nicht zu stark stören in einer Phase wie der aktuellen, zumal die Aussagekraft dieser Kennzahl ohnehin begrenzt ist.
Neben der Corona-bedingten Rezession kommt allerdings leider auch noch die sich zunehmende Spaltung der Gesellschaft in den USA und der Handelsstreit mit China als Belastung hinzu. Beides ist nicht förderlich für die Aktieninvestments und den US-Dollar. Zuletzt kam der Euro dank fiskalischer Unterstützung in Europa etwas in Gang, was unseren Fonds tendenziell hilft. Gleichzeitig ist ein schwacher Dollar eine Chance für die Schwellenländer und eine Unterstützung für Goldinvestments. Die Lage in den USA spricht derzeit dafür, dass die USA ihren Status als Safe Haven etwas einbüßt. Gleiches gilt für US-Staatsanleihen, deren Verzinsung inzwischen nicht mehr hervorsticht.
Fazit: Wo soll man das Geld sonst anlegen, wenn nicht in Aktien? Dank der Notenbanken ist eine schwache Konjunktur nicht gleichbedeutend mit schwachen Börsen.
Der monetäre Einfluss überwiegt die ungünstige Markttechnik
Der monetäre Rückenwind, das ist unübersehbar, hat gigantische Ausmaße angenommen. Heute wird in den USA innerhalb von drei Monaten so stark stimuliert wie zuvor in sechs Jahren zusammen. Und auch diese waren geldpolitisch gesehen keine blutarmen Zeiten. Doch jetzt ist das Niveau etwa 24 Mal höher.
Der Stimulus kommt gleichzeitig aus allen wichtigen Regionen, den USA, Europa und Japan, aber auch aus China. China geht bei der Diskussion immer etwas unter, aber auch hier sinken die Mindestreserven und steigen Kreditvergabe und Defizite. Überall wird wegen des Corona-Virus angekurbelt. Der Virus wird früher oder später verschwinden, aber das Geld bleibt im System. Und das ist gut für Aktien. Wir haben die Möglichkeit der Großen Rotation(3) noch nicht abgeschrieben. Da jetzt auch fiskalisch angekurbelt wird, könnte sich diese Rotation in Gang setzen.
Fazit: Der monetäre Faktor wird weiter positiv auf den Aktienmarkt wirken. Das kann zu einer ähnlichen Überbewertung des Aktienmarktes führen, wie wir sie bei Anleihen und Immobilien heute schon sehen.
Ausgewogene Sektorallokation - Value gezielt über Industriewerte
Zu Beginn ging die Erholung an den Märkten vor allem von Technologiewerten und defensiven Aktien aus. Erst in den vergangenen Wochen kamen die oftmals zyklischen Value-Aktien fulminant hinzu. Da diese Sektor-Rotationen kaum exakt zu prognostizieren und noch schwerer umzusetzen sind, gehen wir den Weg einer ausgewogenen Allokation. Bisher waren wir weniger in Value-Werten engagiert. exponiert. Das werden wir nun gezielt über Industriewerte nachholen, denn diese dürften vom Fiskalstimulus profitieren. In Industriewerten waren wir bisher, ebenso wie in Banken, stark untergewichtet. Das hat sich bis jetzt auch als richtig erwiesen. Die Untergewichtung von Banken behalten wir aufgrund der strukturellen Probleme des Sektors weiter bei.
Für uns steht aber auch fest, dass wir uns nicht zu stark vom Technologiesektor abwenden – im Wissen, dass diese Werte am stärksten gehandelt werden. Denn die Bewertungen sind gerade mit Blick auf das Wachstum nicht zu hoch, und hier werden weiter Aktien in großem Maßstab zurückgekauft. In vielen anderen Sektoren wurden die Aktienrückkäufe dagegen massiv gekürzt. Das gilt nicht für das Gesundheitswesen, denn dieser Sektor kürzt i.d.R. weder Dividenden noch Rückkäufe. Trotzdem werden wir hier etwas vorsichtiger, denn hier waren wir bislang – u.a. mit Blick auf Corona und aufgrund des defensiven Charakters des Sektors – übergewichtet. Sollte sich die Sektor-Rotation fortsetzen, könnte das Gesundheitswesen ins Hintertreffen geraten.
Beim Thema Value sind wir durch unsere deutschen Aktien ganz gut vertreten. Weiterhin sind aber auch japanische Aktien einen Blick wert, zumal dort die Dividendenrenditen inzwischen vergleichsweise attraktiv sind.
Fazit: Fiskalische Stimulierung kommt v.a. in Sektoren mit vielen Arbeitnehmern an. Dazu zählen Industriewerte. Wir reduzieren hier unser Untergewicht.
(1) Put/Call-Ratio = Verhältnis zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen
Wenn Verkaufsoptionen überwiegen, deutet dies nach vorherrschender Meinung auf eine negative Marktstimmung (Börsensentiment). Überwiegen dagegen Kaufoptionen, deutet dies aus dieser Sicht auf eine positive Marktstimmung. Tatsächlich ist häufig nach hohen Put-Call-Verhältnissen ein Ansteigen der Kurse zu beobachten. Die PCR gilt deshalb als ein Kontraindikator. Dabei ist zu beachten, dass unter normalen Bedingungen weniger Verkaufsoptionen als Kaufoptionen nachgefragt werden; eine ausgeglichene PCR nahe 1 gilt daher schon als Anzeichen einer leicht negativen Marktstimmung.
(2) Goldilocks (englisch für „Goldlöckchen“) steht hier für niedriges Wachstum und starke Unterstützung der Geldpolitik.
(3) Rotation von Anleihen in Aktien