Die Konsolidierung im September hat die Euphorie an den Aktienmärkten abgekühlt und die Situation entspannt. Konjunkturell macht die Wirtschaft aber weiter Fortschritte, darum dürften Aktien kurzfristig seitwärts, dann jedoch wieder aufwärts tendieren.
Die Autoren
Das Analystenteam von DJE beobachtet und bewertet die Märkte laufend anhand der hauseigenen FMM-Methode nach fundamentalen, monetären und markttechnischen Kriterien. Einmal im Monat fassen sie ihre Ergebnisse zusammen. Im Gespräch mit dem Wall Street Experten und Finanzjournalisten Markus Koch geht der Leiter der DJE Research Abteilung, Florian Bohnet, auf die zentralen Thesen ein.
Die wichtigsten Punkte für die kommenden Wochen:
- Aktien werden wegen der erhöhten Unsicherheit kurzfristig konsolidieren, mittelfristig aber weiter steigen.
- Der EUR/USD-Wechselkurs dürfte wegen der zunehmenden Corona-Fallzahlen in Europa und strapazierter markttechnischer Faktoren schwächer tendieren.
- Chinas Volkswirtschaft ist aktuell bereits fast wieder auf Vorkrisenniveau und entwickelt sich besser als erwartet. Deutsche Autokonzerne sprechen von Vollauslastung.
Börsen – wegen erhöhter Unsicherheit – kurzfristig im Seitwärts-, mittelfristig im Aufwärtstrend
Die Euphorie war groß: Ende August war die Börse in einer Übertreibungsphase. Die Kurszuwächse der großen Tech-Werte haben sich gegenseitig überboten. Kleinanleger eröffneten so zahlreich Depots wie zuletzt Ende der 1990er Jahre – vor dem Platzen der TMT-Blase1 zu Beginn dieses Jahrtausends. Kredit- und Optionskäufe befeuerten den Trend, und die Kurse von IPOs2 kletterten am Tag des Börsengangs nicht selten prozentual dreistellig. Die Konsolidierung im September hat die Situation aber wieder entspannt. Wir sehen überwiegend neutrale Indikatoren, allerdings auch vereinzelt überkaufte Signale, wie z.B. das Put/Call-Ratio3.
Die internationalen Notenbanken haben massiv reagiert. In den USA z.B. ist die Geldmenge M13 aktuell um 40% angestiegen. Bis jetzt haben diese drastischen Maßnahmen den Finanzmärkten geholfen: Wir befinden uns in einem neuen Aufschwung. Dieser wird zwar unseres Erachtens nicht linear, sondern in Wellen verlaufen, aber die monetäre Basis ist gelegt und stimmt uns zuversichtlich.
Kurzfristig wird die Volatilität zunehmen, denn neben der heißen Phase der US-Präsidentschaftswahl steht auch die neue Berichtssaison an. Ein zusätzlicher Risikofaktor sind die Maßnahmen, mit denen die Politik auf die steigenden Corona-Fallzahlen reagieren wird. Denn einen zweiten Lockdown haben die meisten Unternehmen nicht in ihre Planung aufgenommen. Erfolge in der Corona-Impfstoffentwicklung sind an der Börse inzwischen ebenso eingepreist wie der Wahlsieg von Joe Biden gegen Amtsinhaber Donald Trump im Kampf um das Amt des US-Präsidenten.
Fazit: Rückgänge in einer Konsolidierung sind Kaufgelegenheiten. Langfristig erwarten wir eine positive Entwicklung an den Börsen.
Markttechnik und Corona-Situation schwächen den Euro gegenüber dem US-Dollar
Beim EUR/USD-Wechselkurs wendet sich anscheinend das Blatt: Der Euro konnte sich über den Sommer hinweg gut entwickeln. Die Gründe dafür waren eine vergleichsweise gute konjunkturelle Entwicklung in Europa, ein bislang besseres Corona-Management und eine gesunkene Zinsdifferenz zu den USA. Diese Situation scheint sich zu drehen. Auch in Europa spitzt sich die Corona-Situation wieder zu. Nach unseren markttechnischen Indikatoren herrscht daher im Moment zu viel Euro-Optimismus. Wir gehen für die nächste Zeit von einem schwächeren Euro gegenüber dem US-Dollar aus, und das dürfte sich auf den heimischen Export positiv auswirken. Der Goldpreis dagegen dürfte im Zuge eines stärkeren Dollars weiter konsolidieren.
Fazit: Währungssicherungen von Werten, die auf US-Dollar lauten, sind vorerst nicht notwendig.
Chinas Volkswirtschaft fast auf Vorkrisenniveau – deutsche Autokonzerne sprechen von Vollauslastung
Eine Rezession beginnt per Definition mit zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativen Wachstums. Streng genommen erlebte China also keine Rezession, und auch die anderen Länder waren mit zwei Quartalen Wachstumsrückgang in der kürzesten Rezession, die es je gab. In letzter Zeit beobachten wir vermehrt große Ankündigungen „grüner Projekte“ weltweit. Selbst in China gab es beispielsweise Verlautbarungen über den Ausbau der erneuerbaren Energien im großen Stil. Darüber hinaus will sich China in den nächsten Jahren mehr auf sich selbst und den Binnenkonsum konzentrieren. Unter dieser Besinnung auf den Heimatmarkt wird u.a. der internationale Tourismus noch längere Zeit stärker zu leiden haben, wenn die Chinesen vermehrt in ihrem Heimatland Urlaub machen anstatt im Ausland. Das wird besonders die Hongkonger Tourismusbranche treffen.
Auf der anderen Seite ergaben unsere jüngsten Gespräche mit Vertretern der Autoindustrie, dass sich die Lage in der Automobilbranche zuletzt deutlich besser darstellt, als noch vor einigen Monaten befürchtet. Gerade das China-Geschäft, das für die deutschen Hersteller zur wichtigsten Säule geworden ist, wächst inzwischen schon wieder deutlich, nicht nur gegenüber dem jeweiligen Vormonat, sondern auch im Vorjahresvergleich. Die Premiumhersteller vermelden bereits wieder Vollauslastung. Interessanterweise hilft den Konzernen dabei auch ein positiver Mix-Effekt, d.h., die Kunden entscheiden sich trotz Coronakrise für hochwertigere, besser ausgestattete Modelle. Darüber hinaus werden die strengeren CO2-Vorgaben für die Automobilindustrie wohl nicht zu regulatorischen Strafzahlungen führen, denn die Zahl der verkauften Hybrid- und Elektrofahrzeuge wächst rasant. Zwar gehen die Hersteller dieses Thema mit unterschiedlichen Strategien an, aber über die grundsätzliche Stoßrichtung besteht kein Zweifel mehr: elektrisch und grün.
Fazit: China ist derzeit eindeutig das Zugpferd der internationalen Konjunktur. Unternehmen mit einem wesentlichen China-Geschäft profitieren.
1 TMT = Technologie-, Medien- und Telekommunikationswerte.
2 IPO = Initial Public Offering, erstes öffentliches Angebot oder Börsengang; Aktien eines Unternehmens werden erstmals interessierten Anlegern öffentlich zum Kauf angeboten.
3 Put/Call-Ratio = Verhältnis zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen
Wenn Verkaufsoptionen überwiegen, deutet dies nach vorherrschender Meinung auf eine negative Marktstimmung (Börsensentiment). Überwiegen dagegen Kaufoptionen, deutet dies aus dieser Sicht auf eine positive Marktstimmung. Tatsächlich ist häufig nach hohen Put-Call-Verhältnissen ein Ansteigen der Kurse zu beobachten. Die PCR gilt deshalb als ein Kontraindikator. Dabei ist zu beachten, dass unter normalen Bedingungen weniger Verkaufsoptionen als Kaufoptionen nachgefragt werden; eine ausgeglichene PCR nahe 1 gilt daher schon als Anzeichen einer leicht negativen Marktstimmung.
4 Geldmenge M1 = Bargeldumlauf bei Nichtbanken (also ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken) plus Sichteinlagen (Einlagen ohne vereinbarte Laufzeit ohne gesetzliche Kündigungsfrist) der Nichtbanken.