Die jüngsten Bewegungen am Aktienmarkt lassen Anleger aufhorchen. Im Interview ordnet DJE-Fondsmanager und Analyst Moritz Rehmann die Geschehnisse der vergangenen Tage ein, erläutert die Hintergründe und skizziert die Perspektive für den weiteren Jahresverlauf.
Redaktion: Moritz, in den vergangenen Tagen war an den Kapitalmärkten einiges an Bewegung zu sehen. Was war der Auslöser dafür?
Moritz Rehmann: Der Auslöser für die Abverkäufe war aus unserer Sicht die Zinserhöhung der japanischen Zentralbank. Zentral war dabei aber nicht die Erhöhung von 15 Basispunkten, sondern viel mehr der Kommentar des Governor der Bank of Japan. Der stellte nämlich das bisher geltende inoffizielle Leitzins-Limit von 50 Basispunkten in Frage.
Redaktion: Und welchen Effekt hatte das?
Rehmann: Die japanische Währung Yen wird durch eine solche Maßnahme stärker, was sich negativ auf alle Unternehmen auswirkt, die aus Japan heraus exportieren oder Auslandserträge in Japan bilanzieren. Und davon gibt es viele. Allerdings war der Abverkauf insgesamt relativ undifferenziert. Auch Aktien, die eigentlich von der Zinswende profitieren könnten, etwa Banken und Versicherungen, verzeichneten Kursverluste. Offensichtlich kam es also auch zu Gewinnmitnahmen. Daher gehen wir Stand jetzt davon aus, dass diese Entwicklung nur temporär ist.
Redaktion: Auch außerhalb von Japan reagierten die Märkte – hängt das aus Eurer Sicht zusammen?
Rehmann: Das ist zumindest wahrscheinlich. Die Gesamtlage war bereits volatil, insbesondere im Tech-Sektor. Auch im Consumer-Bereich drücken die weiterhin hohen Zinsen auf die Konsumentennachfrage, was sich in der aktuellen Berichtssaison mit rückläufigen Margen widerspiegelt. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die sehr nah am Endkunden stehen, der Preiserhöhungen nicht mehr akzeptiert. Doch auch hier ist nicht jedes Unternehmen gleichermaßen betroffen. Wir gehen davon aus, dass auch an den internationalen Aktienmärkten einige Gewinnmitnahmen stattgefunden haben, die der Hauptgrund für die Kursrückgänge sind. Hier bieten sich voraussichtlich auch Kaufgelegenheiten bei Titeln, deren Bewertungen zuletzt unattraktiv geworden waren.
Redaktion: Was heißt das mit Blick nach vorne für die zweite Jahreshälfte?
Rehmann: Einzelne Tagesentwicklungen sollten Anleger natürlich nicht überbewerten. Es gibt für die kommenden Monate einige Faktoren, die den Kapitalmärkten wieder Schwung verleihen können. Dazu gehört sicherlich die erwartete Zinssenkung der Federal Reserve, die für September antizipiert wird. Angesichts einer schwächelnden US-Konjunktur und angespannten Lage bei den Verbrauchern ist auch nicht ausgeschlossen, dass wir statt 25 Basispunkten sogar 50 Basispunkte sehen könnten. Zinssenkungen würden einerseits Anleihenkurse unterstützen, anderseits auch die Aktienmärkte entlasten.
Redaktion: Und die US-Wahlen?
Rehmann: Statistisch gesehen tendieren die Aktienmärkte in Wahljahren häufig stärker, je näher der Wahltermin rückt. Das hat damit zu tun, dass die Kandidaten bemüht sind, Zuversicht bei Wirtschaft und Bevölkerung zu schüren, was sie gerne mit Wahlversprechen untermauern. Insofern bleibt der Aktienmarkt auch im weiteren Jahresverlauf aussichtsreich.