Der Schritt zum Investor ist heute leichter denn je: Es reichen ein Girokonto mit ein wenig Geld, ein Online Broker und schon kann fast jeder an den Kapitalmärkten aktiv werden. Aber wie geht das eigentlich? In Sachen Geldanlage haben sich über die Jahrhunderte hinweg einige Stile herausgebildet, die sich durch ihren Fokus und ihr Vorgehen unterscheiden. Doch wie genau unterscheiden sich diese Stile? Und welcher ist besser? Wir stellen zuerst das Value Investing vor.
Value vs. Growth
Ein Einsteiger an den Kapitalmärkten könnte denken, dass „Value“ und „Growth“ (Wachstum) als Größen für jeden Investor gleich wichtig sind. Immerhin erwartet sich der Anleger von der Aktie Wachstum und misst ihr gleichzeitig einen guten Wert bei. Andernfalls würde er sie kaum kaufen. Das stimmt zwar, aber letztlich unterscheiden sich die beiden Stile in ihrer Priorisierung dieser Größen.
Etwas vereinfacht dargestellt: Für den Value Investor stellt sich immer zuerst die Frage, ob eine Aktie in Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Fundamentaldaten gut bewertet ist und ein Kauf sich lohnt. Wichtig dabei: Der Preis ist zwar ein Faktor für den Wert, aber eben nicht der einzige. So kann eine Aktie beispielsweise auch bei einem, vergleichsweise, hohen Kurs von 1.000 Euro für Value-Anleger interessant sein. Im Gegenteil kann auch eine vermeintlich günstige Aktie mit Kurswert von einem Euro teuer sein. Ein Beispiel:
Kurs ist nicht gleich Wert
Zwei Firmen sind in Hinblick auf Größe, Fundamentaldaten, Wachstumsraten, Umsätze, Gewinne identisch. Aber während Firma A 1.000.000 Aktien ausgegeben hat, die aktuell bei einem Kurswert von 10 Euro notieren, hat Firma B nur 10.000 Aktien ausgegeben, die bei 1.000 Euro notieren. Rein preislich wäre die Aktie von Firma A attraktiver. Den größeren Wert hat allerdings die Aktie von Firma B. Angenommen beide Firmen machen einen Gewinn 100 Millionen Euro, käme 100 Euro Gewinn auf jede Aktie von Firma A. Bei Firma B wären es 10.000 Euro. Der Wert von Aktie B wäre in diesem Beispiel also hundertmal höher.
Aktien bewerten
Zur Bewertung von Aktien gibt es zahlreiche Kennzahlen, die Investoren heranziehen können. Dazu gehört beispielsweise das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Der Name ist Programm: Das KGV gibt an, in welchem Verhältnis der Aktienkurs und der Gewinn pro Aktie stehen. Firma B aus dem vorherigen Beispiel käme etwa auf ein KGV von 100. Generell gilt ein niedriges KGV als Indikator für eine unterbewertete und damit Value Aktie. Das KGV sollte aber immer auch in der Vergleichsgruppe betrachtet werden. Eine isolierte Betrachtung ist wenig hilfreich.
Kein Wert ohne Wachstum?
Das KGV sollte außerdem auch anhand einer weiteren Größe bewertet werden: Wachstum. Denn eine Aktie mit hohem KGV ist nicht automatisch ein guter Value Pick. Ohne Wachstum ist auch ein niedriges KGV nichts wert. Starkes Wachstum hingegen kann ein überdurchschnittlich hohes KGV aufwiegen oder sogar überwiegen. Eine Kennzahl, die dafür herangezogen wird, ist das Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnis (PEG). Es wird berechnet, indem das KGV durch das erwartete prozentuale Gewinnwachstum der kommenden drei bis fünf Jahre geteilt wird. Wobei das erwartete Gewinnwachstum mit Vorsicht zu genießen ist. Als Faustregel gilt: Liegt der Wert über 1, ist die Aktie überbewertet, liegt sie unter 1 ist sie unterbewertet.
Gerade bei den Überflieger-Aktien aus dem Tech-Sektor spielt Wachstum in der Bewertung der Aktie eine entscheidende Rolle. Dafür wird die Kennzahl des Present Value of Growth Opportunities herangezogen (PVGO), zu deutsch Barwert der Wachstumschancen. Diese Kennzahl gibt an, welchen Anteil an der Bewertung eines Unternehmens das zukünftige Wachstum im Verhältnis zum real vorhandenen Wert (z.B. Fabriken, Maschinen, Labore) hat. So können Unternehmen auch ohne große reale Werte eine hohe Bewertung erreichen.
Fragen über Fragen
Diese und weitere Kennzahlen helfen, Value Aktien zu erkennen. Aber die Realität sieht noch deutlich komplexer aus. Denn jede Aktie hat darüber hinaus noch wichtige Faktoren, die ihren Wert beeinflussen. Operiert die Firma etwa in einem Wachstumsmarkt? Wie ist die Wettbewerbslage? Wie fähig ist das Management und welche Pläne hat es für die Zukunft? Wie sieht das gesamtwirtschaftliche Umfeld aus? Diese und weitere Fragen stellen sich die professionellen Analysten der DJE Kapital AG Tag für Tag, um Aktien möglichst umfassend zu bewerten und die optimalen Anlageentscheidungen im Sinn der Kunden zu treffen. Deswegen fließen in die bewährte FMM Methode, nach der Investmententscheidungen auch bei Solidvest getroffen werden, Indikatoren aus dem Value Investing ein. Aber nicht ausschließlich.
Kontextabhängig
Ist Value der beste Anlagestil? Eine pauschale Antwort darauf ist nicht möglich. Letztlich gibt es für jede Phase an den Börsen und in der globalen Konjunktur einen passenden Anlagestil. Deswegen ist es wichtig als Anleger eine gewisse Flexibilität mitzubringen und nicht kategorisch auf einer Herangehensweise zu beharren. Zu erkennen, welches Vorgehen wann sinnvoll ist und die richtige Balance zu finden, ist eine komplexe Aufgabe. Wer weder die Zeit noch die Muße hat, sich in der Tiefe damit zu beschäftigen, für den ist möglicherweise eine Online Vermögensverwaltung der passende Weg.